Was ist ein Vermächtnis und wie kann es Erbstreitigkeiten vermeiden?
Viele
Menschen neigen dazu, in ihrem Testament Familienangehörige und
nahestehende Personen namentlich als Erben zu benennen. Das führt dazu,
dass mitunter Erbengemeinschaften von 12 und mehr Personen entstehen.
Aus formaler Sicht können dabei schon einmal eineinhalb Jahre vergehen,
bis die Erbschaft abgewickelt ist, da alle Erben die
Erbschaftsteuererklärung unterschreiben müssen.
Zudem kann sich erfahrungsgemäß diese "Zwangsgemeinschaft" nicht über
die Aufteilung des Vermögens einig werden, was in 90 Prozent der Fälle
zu Streit in der Familie führt, mit dem Ergebnis, dass das Erbe, wenn
es sich beispielsweise um ein Haus handelt, langsam verfällt und keinen
Wert mehr besitzt. Dipl.-Finw. Bettina M. Rau-Franz, Steuerberaterin
und Partnerin in der Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzlei Roland
Franz & Partner in Düsseldorf, Essen und Velbert und zertifizierte
Testamentsvollstreckerin, rät deshalb zu einer eleganteren Lösung: Dem
Vermächtnis.
Dabei wird eine Person als Erbe eingesetzt und die anderen werden im
Zuge eines Vermächtnisses bedacht. Auf diese Weise kann der Erblasser
einen wertmäßigen Ausgleich unter den Erben schaffen, ohne dass es zu
Erbstreitigkeiten kommt. Beim Vermächtnis ist aber darauf zu achten,
die Dinge genau und unmissverständlich beim Namen zu nennen.
Personen, die mit einem Vermächtnis bedacht werden, nehmen keine
Erbenstellung ein. Das bedeutet, dass sie auch nicht die Schulden des
Erblassers übernehmen müssen. Entgegen landläufiger Meinung wird
derjenige, der mit einem Vermächtnis bedacht wird, aber auch nicht
enterbt.
"Für den Erben entsteht steuerrechtlich kein Nachteil. Er zahlt zwar
die Erbschaftssteuer, aber der Wert des Vermächtnises wird als Schuld
an den Vermächtnisbegünstigten bei der Berechnung der Erbschaftssteuer
vom Erbe abgezogen, was die gesamte Abwicklung der Erbschaft wesentlich
vereinfacht. Der Vermächtnisnehmer muss seinerseits die wertmäßige
Zuwendung versteuern.
Die Variante mit dem Vermächtnis bietet sich vor allem auch an, wenn
schon zu Lebzeiten des Erblassers unter den potenziellen Erben extreme
Interessenskonflikte bestehen", erklärt Steuerberaterin Bettina M.
Rau-Franz.
Ein Beispiel aus der Praxis:
Eine Dame ist 105 Jahre geworden und hat ihre vier Geschwister, die sie
als Erben eingesetzt hat, überlebt. Bis zu ihrem Tod hat sie sich
geweigert, ihr Testament zu ändern, weil sie glaubt, ihre Geschwister
damit zu enterben. Bei ihrem Tod rutschten nun die Kinder ihrer
Geschwister nach, so dass eine Erbengemeinschaft von 17 Personen
entstand. Über die Verwendung der Luxusvilla mit wertvollen Teppichen,
antiken Möbeln und Kunstschätzen herrschte Uneinigkeit. Als dann auch
noch die Grundsteuerbescheide nicht bezahlt wurden, wurde ein
gerichtlich bestellter Zwangsverwalter eingesetzt.
Kurz bevor nach 10 Jahren die Villa endlich verkauft werden sollte,
verursachte ein Rohrbruch einen Wasserschaden, der nicht sofort
entdeckt wurde, da der Zwangsverwalter nur einmal in der Woche die
Villa kontrollierte. 90 Prozent des gesamten Inventars waren nicht mehr
zu gebrauchen, das Haus hatte einen massiven Wasserschaden, so dass das
Haus nur noch zum Grundstückswert verkauft werden konnte. Die Gebühren
für die Zwangsverwaltung haben dabei den Erlös aufgezehrt, so dass die
Erben letztendlich leer ausgingen.
Um eine derartige Situation zu vermeiden, empfiehlt Bettina M.
Rau-Franz, entweder eine Person als Erben einzusetzen und die anderen
mit einem Vermächtnis zu bedenken, oder im Testament bereits eine
Testamentsvollstreckung durch einen Testamentsvollstrecker anzuordnen.
Der kümmert sich um die Abwicklung und die Verteilung des Erbes.
Als erstes sichert er das Erbe. Dazu tauscht er als erstes die
Schlösser aus, um zu verhindern, dass sich Personen, die noch über
einen Schlüssel zur Wohnung oder zum Haus des Erblassers verfügen,
schnell noch aus dem Erbe bedienen.
Dann legt er ein Elementarverzeichnis des Vermögens an und stellt fest,
wer erbt und nimmt Kontakt mit den Erben auf. Dies sollte maximal nach
fünf Monaten geschehen sein. Hat der Erblasser nicht genau festgelegt,
wer welchen Teil des Vermögens erbt und kommt es zum Streit unter den
Erben über die Vermögensaufteilung, kann der Testamentsvollstrecker
alle beweglichen Güter verkaufen und den Erlös unter den Erben
aufteilen.
"Auf diese Weise sind die Erben vielleicht auf den
Testamentsvollstrecker nicht gut zu sprechen, aber der Erblasser hat
den nervenaufreibenden, unerfreulichen Streit um seinen Nachlass in der
Familie vermieden", so die Testamentsvollstreckerin Bettina M.
Rau-Franz.
AUCH
INTERESSANT:
So sparen Sie teure
Anwaltskosten bei Erbstreitigkeiten
7 Lösungen bei Erbstreitigkeiten
Was tun, wenn man
Schwarzgeld erbt?

|
|
|